Regine Nahrwold am 14. Januar 2020
Theater Fanferlüsch spielt „Bella figura“ von Yasmina Reza
„Freunde, ich habe das Gefühl, dass wir uns auf einem Unglückspfad befinden und kurz davor sind, uns lächerlich zu machen.“ „Ja, genau so ist es auch!“ möchte man da als Zuschauer dem Eric aus Yasmina Rezas Komödie „Bella figura“ zurufen. Das Stück, von der „Meisterin der Eskalation“ (Hanser-Verlag) für die Berliner „Schaubühne“ geschrieben und dort 2015 uraufgeführt, hat nun in Braunschweig das Theater Fanferlüsch auf die Bühne gebracht.
Boris hat seine Geliebte Andrea für eine Nacht ins Hotel eingeladen und macht sich extra die Mühe, sie vorher zum Essen einzuladen. Blöderweise erzählt er ihr, dass das Restaurant ein Tip seiner Ehefrau war. Andrea ist empört, die Stimmung im Eimer. Im Eifer des Gezänks fährt Boris eine ältere, schon etwas tüdelige Dame an, Yvonne. Sie ist mit Sohn Eric und Schwiegertochter Françoise auf dem Weg in eben jenes Restaurant, um dort ihren Geburtstag zu feiern. Und Françoise ist – wie peinlich! – eine gute Freundin von Boris‘ Ehefrau. Zu allem Überfluss schlägt Andrea auch noch vor, gemeinsam essen zu gehen. Da bleibt Boris nichts anderes übrig, als sich um „bella figura“ zu bemühen. Doch die bröckelt im Laufe des Abends immer mehr, und das nicht nur bei ihm…Leider hält dieser Anfang des Stücks nicht, was er verspricht: Der Blick hinter die Fassaden der Figuren fördert weder Tragik noch Drama oder Komik zutage, statt dessen Abgedroschenes ohne wirklichen Witz, garniert mit bedeutungsschweren Sätzen: nerviges On-Off zwischen Andrea und Boris, dem auch noch die Insolvenz droht, sowie Eifersucht zwischen Eric und Françoise, die ihren Mann fest unter der Knute hat. Dazu werden jede Menge Sekt und Drogen konsumiert, es wird in diversen Konstellationen geflirtet und geknutscht. Dahinein funkt immer wieder Yvonne mit ihren schrägen Sprüchen. Eine Szene, die auf der Toilette spielt, ist noch am lustigsten. Dort fallen Andrea und Boris in jäher Lust-Aufwallung übereinanderher und werden dabei prompt von Yvonne erwischt, der in der Folge ihr straußenledergebundenes Notizbüchlein ins Klo plumpst. Sie ziert sich, es herauszufischen, dass muss dann mit beherztem Griff Andrea erledigen.
Die Inszenierung kämpft tapfer gegen die Schwächen des Stücks an: die Regie von Nicole Holzhauser mit vielen guten Einfällen, z.B. wenn man sich auf der Toilette in einem imaginären Spiegel mustert oder Françoise sich unter wilden Verrenkungen mit Mückenspray traktiert. Toll sind auch Bühnenbild, Ausstattung und Kostüme. Alle erdenkliche Mühe geben sich die Darsteller, allen voran Sümeyra G. als Andrea. Sie verleiht der kleinen Apothekengehilfin im „Schlampenfummel“ (Boris), die sich doch nur nach etwas Glück und Größe sehnt, Leben und Kontur. Daniela Wartusch, als Françoise ein eleganter Tugendbolzen mit Standesdünkel, gibt ihren coolen Widerpart. Florian Henk überzeugt als schwächlicher Erik, der als Leiter einer Rechtsabteilung Boris von oben herab Rat erteilt. Henry Walczyk als windiger Unternehmer und Ehebrecher Boris bleibt allerdings etwas blass und hölzern. Die meisten Lacher des Premierenpublikums konnte Antje Müller als überkandidelte Yvonne für sich verbuchen. (Weitere Vorstellungen: 19.1. um 16 Uhr, 18. und 31. 1. sowie 1., 7., 8. 2., jeweils 20 Uhr, Roter Saal im Schloss, Schlossplatz 1; Vorverkauf: Musikalien-Bartels oder online auf www.fanferluesch.de)