Regine Nahrwold am 12. September 2021
Im Atelier: Yvonne Salzmann
Foto: Güde Renken
Zum Gespräch mit Yvonne Salzmann bin ich im Prinzenpark verabredet. Als ich ankomme, sitzt sie schon da, auf einer blauen Decke im Gras, und bietet mir sogleich Kaffee und Schokolade an. „Ich dachte, wir machen es uns mal gemütlich“, sagt sie.
Die Gemütlichkeit ist einem straffen Zeitplan abgetrotzt. Das von der umtriebigen Fotokünstlerin initiierte Projekt der „Park Side Gallery“, einer Ausstellung von sechs Braunschweiger Künstlerinnen im Außenraum, läuft noch bis Oktober. Die Eröffnung ihrer eigenen Ausstellung „Blütezeit“ in der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel stand zum Zeitpunkt des Interviews kurz bevor. Das nächste Projekt, „EinTRACHTEN. Kleidung als Bestandteil regionaler Identität“ von Julia Eschment, bei dem Salzmann die künstlerische und organisatorischen Leitung des fotografischen Teils übernimmt und mit einer eigenen Foto-Serie beteiligt ist, erscheint auch bereits am Horizont. Dazu gibt sie noch Workshops für Gruppen, auch an Schulen. „Ich bin beglückt mit dem, was gerade läuft“, strahlt Salzmann, „alles ist spannend und abwechslungsreich. Ich habe ein erfülltes Leben.“ Das war sogar im letzten Jahr so, in der Auszeit des Lockdowns. Wo andere ausgebremst und ohne Beschäftigung waren, hat die Künstlerin es genossen, Zeit für ihre eigene Arbeit zu haben und die Foto-Serie „Blütezeit“ geschaffen. Der Rückzug und die Entschleunigung haben ihr neue Räume eröffnet, die sie mit einer subjektiven Kamera erkundet hat. Dabei hat sie vieles entdeckt, was in ihrem Inneren auf Resonanz gestoßen ist. Diese inneren Bilder hat sie nach außen gebracht, der Corona-Sommer ist ihr zur „Blütezeit“ geworden. „Es kommt bei einem Bild nicht auf Perfektion an“, sagt sie, „es muss eine Seele haben.“
Schon als Kind hat Salzmann im Urlaub „fotografiert“, das heißt: die Umgebung durch einen von Daumen und Zeigefinger gebildeten Rahmen betrachtet. „Die Welt war zu groß, es brauchte einen Ausschnitt.“ 1995 bekam sie eine alte Minolta geschenkt und begann zu fotografieren, 2005 nahm sie an einem Workshop teil. Damals arbeitete sie in der Jugendhilfe, so nahm sie vor allem Kinder auf. Dann machte sie sich mit Fotografien von Industrie- und Müllverbrennungsanlagen einen Namen. Sie nahm an internationalen Konferenzen teil, Aufträge führten sie in die Schweiz, nach Holland, Finnland und Litauen. 2010 kündigte Salzmann ihren Job, um sich mit der Fotografie selbständig zu machen. „Ich habe mir nie ein Ziel gesetzt, es hat sich bei mir immer eins aus dem anderen ergeben“, sagt sie dankbar. „Das funktioniert vielleicht nur, weil ich nie mit Druck irgendwohin wollte.“ Durch das Arbeiten in der freien Wirtschaft habe sie gelernt, auch Menschen zu erreichen, die keine Kunstspezialisten seien. Diese Brücke zu schlagen, nah an den Menschen zu sein, das ist ihr immer noch sehr wichtig. „Wenn meine Kunst Freude bereitet und berührt, dann bin ich glücklich.“ Glücklich macht sie auch ihre Kunstvermittlungstätigkeit, das Entwickeln von Projekten, das Organisieren und Netzwerken. Und für eins möchte sie noch kämpfen: dafür, dass KünstlerInnen nicht auf HartzIV angewiesen sind, sondern ein Grundeinkommen erhalten und für ihre Arbeit Anerkennung finden. „Was hätten wir alle denn im Lockdown angefangen ohne Bilder, Bücher, Musik und Filme?“ Recht hat sie, und wir wünschen Yvonne Salzmann auch dafür einflussreiche MitstreiterInnen und Erfolg auf ganzer Linie.