Regine Nahrwold am 17. September 2021
Im Atelier: Susanne Hesch
Sankt Johannes Baptista in Wenden ist eine schmucke kleine Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Außen rote Ziegel, im Inneren weiß die Wände, hellgrau das Gestühl und die Empore, himmelblau das Deckengewölbe. Am 27. Juni ist der Schutzpatron der Kirche, Johannes der Täufer, hier eingezogen, in Gestalt eines Gemäldes, das seinen Platz im Seitenschiff, ganz nahe beim Taufstein, gefunden hat. „Das Bild und die Arbeit daran haben mich durch das ganze letzte Jahr begleitet“, sagt seine Schöpferin, die Malerin Susanne Hesch. Mit ihrem Entwurf hatte sie 2020 den ersten Platz des von der Gemeinde ausgeschriebenen Wettbewerbs gewonnen.
Hesch malt seit langem figürlich, von daher lag ihr das Thema nahe. Doch zu der biblischen Gestalt des Täufers musste sie erst einen Zugang finden. „Interessant finde ich, dass christliche Figuren einen Bedeutungshorizont mitbringen“, sagt sie. „Am Johannes hat mich die semantische Ebene fasziniert, also, dass er auf etwas hinweist, ein Sehender, Erkennender und Zeigender ist. Und das ist ja auch das Metier der Kunst: in der Umwelt etwas sehen, das zum Zeichen wird.“ Auch die Geschichte von Salome, die vom König Herodes als Lohn für ihren Tanz den Kopf des Johannes fordert, sei natürlich spannend. Doch Hesch hat den Täufer und Bußprediger groß ins Bild gesetzt, das mit seinen Maßen 200 x 110 cm auf der kargen Wand bestens zur Geltung kommt. Als Halbfigur in rotem Gewand, mit dem Zeigegestus der rechten Hand, steht Johannes im Fluss, der vom oberen Bildrand über ihn herabströmt. Ein besonderes Detail: In Profil des Sehers gibt es zwei Augen, ein offenes, mit dem er in die Außenwelt blickt, und ein geschlossenes, mit dem er nach innen schaut. Im blauen Wasser erscheint das Zeichen des Gotteslamms. Unten wächst Johanniskraut, rechts neben der Figur ein Baum als Symbol des Lebens. Und weil Johannes aus der Wüste kam, wo er sich…
… als Eremit von Heuschrecken und wildem Honig ernährte, schwirrt neben seinem Kopf eine große Biene heran. „Die war der Gemeinde auch sehr wichtig, um mit ihr einen Bezug zu Heute herzustellen“, erzählt Hesch. Der Hintergrund der ausgewogenen Komposition erstrahlt in sanften Farben, die wunderbar zum Interieur der Kirche passen. Bemerkenswert sind noch die dunklen, mit glänzender Farbe (Schellack) dargestellten Wellen und die reliefartigen Schlitze, die die Künstlerin abschließend in den Malgrund aus Holz eingeschnitten hat.
Noch ein zweites, völlig anderes Thema, hat die Figurenmalerin im letzten Jahr begleitet: die Serie der Boxer, inspiriert u.a. durch Joyce Carol Oates‘ Text „On Boxing“. Durchgängig dabei ist die Konstellation zweier auf dunkle Silhouetten reduzierter Oberkörper, die gegeneinander kämpfen, Kopf und Fäuste vereinfacht als dicke Punkte wiedergegeben. Was sie daran interessiert, hat Hesch selbst so beschrieben: „Zwei Körper in Konfrontation. Ein Verhältnis von Mensch zu Mensch, eine Bewegung aufeinander zu, ein Ausweichen. Die Spannung im Raum dazwischen.“ Um Agieren und Reagieren, auch um Nähe und Distanz, das große Thema des Corona-Jahres, geht es Hesch bei den Boxern. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung waren im Juli in der Ausstellung „On Boxing“ in der Galerie „Kunstmix im Schnoor“ in Bremen zu sehen. Und sie sind es noch, auf Plane gedruckt, in der „Park Side Gallery“, die noch bis Ende Oktober durchs Braunschweiger Land tourt.