Regine Nahrwold am 17. Februar 2023
Ausstellung „Monolog“ von Hae Kim im Kunsthaus des BBK Braunschweig
Wow, was für eine Leere! Nur zwei oder drei Arbeiten befinden sich in manchen Räumen des Kunsthauses des BBK, wo Hae Kim seine Ausstellung „Monolog“ eingerichtet hat. Nun sind ja leere Räume in Ausstellungen beileibe nichts Neues, aber nur zwei, drei Arbeiten – das ist nun wirklich sehr wenig. So kann man anfangs denken. Doch dann passiert etwas Eigenartiges und sehr Schönes: Die Objekte des aus Korea stammenden Künstlers (geb. 1983 in Seoul) strahlen eine große Intensität aus, die den Raum erfüllt, ebenso das, was da zwischen den verschiedenen Arbeiten als geheimnisvolle Beziehung hin und her webt.
Hae Kim studierte Freie Kunst bei Björn Dahlem und Thomas Virnich und schloss sein Studium 2020 als Meisterschüler bei Thomas Rentmeister an der HBK Braunschweig ab. Er lebt und arbeitet in Braunschweig. Er schleift Bücher nach dem Lesen ab. Den Staub, der dabei entsteht, nutzt er zum Teil, um daraus Buchstabenstempel zu gießen. Mit diesen druckt er jeden Tag ein Wort, das den Tag zusammenfasst. Den anderen Teil des Staubs füllt er in durchsichtige Kunststoffkästen, wo er sich – je nach Anteil der Druckerschwärze unterschiedlich gefärbt – in Sedimentschichten ablagert und wolkige Strukturen in zarten Grautönen bildet. Die Bücher mit den abgeschliffenen Seiten bleiben zurück, die Schrift ist manchmal noch ahnbar wie bei einem Palimpsest; sie sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Kunst, der Hae Kim sein Leben gewidmet, ja man kann schon sagen: geweiht hat.
Seinen Staubobjekten und Büchern hat der Künstler in der Ausstellung reale Dinge zugeordnet, in einem Raum etwa einen Katalog des Künstlers Roman Opalka (1931-2011), der ab 1965 jeden Tag nummerierte und die Zahlen nacheinander mit heller Farbe auf eine dunkle Leinwand schrieb. Diesen Katalog hatte Hae Kim von seinem Vater geschenkt bekommen, der ebenfalls Künstler war. Ein Foto von ihm hängt in einem Raum dem Text gegenüber, mit dem Hae Kim seine eigene Arbeitsweise beschreibt, also seinem eigenen künstlerischen Credo. Anderen Arbeiten hat Hae Kim eine eigene Kinderzeichnung (auf Schleifpapier!) oder ein Kinderfoto von sich selbst hinzugefügt, in einem Raum befindet sich dieses zusammen mit einer leeren Vitrine: Das kleine Kind als Neuanfang und Versprechen, als noch unbeschriebenes Blatt, das sich im Laufe des Lebens füllen wird.
So kreist die Kunst von Hae Kim anschaulich um das Phänomen von Zeit und Vergänglichkeit. Die vergangenen Tage schlagen sich nieder in den Sedimentschichten des Staubs. Ein Tag verdichtet sich in einem Wort, ein Jahr in 365 Worten, auf einen Bogen Papier gedruckt. (Da kann man dann sinnieren, was das wohl für ein Tag war, über dem als Motto „Schifffahrtskunde“ oder „kastrieren“ stand.) Die Konsequenz, mit der der Künstler sein Konzept verfolgt, ist bestechend. Dieses ist gleichwohl nicht abstrakt-verkopft, sondern durch die vielen Varianten immer wieder anders und neu zu erfahren. (Bis 4.3., Kunsthaus des BBK, Humboldtstraße 34, Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr: 15-18 Uhr; Sa, So: 11-17 Uhr)