Regine Nahrwold am 24. September 2023
Austellung „Hoffnungszeichen“ von Alwine Pompe in der Jakobkememate
Der lange und breite Fluss des Christentums, 2021 (Ausschnitt)
Pralinen, Ostereier, Nikoläuse, Schokoherzen – hmmm! Da kann es schon mal passieren, dass von einer ganzen Schachtel binnen kurzem nur noch ein Häufchen bunter Alufolien übrig bleibt. Wer hätte nicht schon mal eins wieder glatt gestrichen und gedacht „Eigentlich viel zu schade zum Wegwerfen – was könnte man mal daraus machen?“. Und wirklich hat eine Künstlerin die bunten Papierchen zu ihrem Material erkoren: Alwine Pompe aus dem Landkreis Lüneburg. Sie zeigt nun ihre glänzende Kunst in der Braunschweiger Jakobkemenate, wo sie an den rauen Steinwänden strahlt und leuchtet. Pompe verarbeitet im Verein mit Buntstiften die Alufolien zu reliefierten Collagen auf Holzgrund. Mit dieser originellen Methode hat die Künstlerin vor gut 30 Jahren eine Not zur Tugend gemacht. Die Grafik- und Textildesignerin entwickelte nach Abschluss ihres Studiums an der Fachhochschule für Gestaltung Hamburg eine Kolophonium-Allergie. Kolophonium aber ist in Papier und Pulverfarben enthalten, damals, noch vor der Digitalisierung ihres Berufs, das täglich Brot der Grafikerin – eine Katastrophe! Als Ausweg aus dieser Misere und Weg in die Zukunft fand Pompe schließlich: Bleistift, Holz, Gips und die Pralinenpapiere, von denen sie schon einige gesammelt hatte. In den 1990er Jahren gestaltete sie ungegenständliche Bilder, in denen sie die unterschiedlichen Formen und Farben der Alufolien zu einem Gefüge von Farbflächen arrangierte und mit Hilfe von Gips zu golden und silbrig glänzenden Reliefs formte. Diese Arbeiten sind im Erdgeschoss der Kemenate zu sehen.
Golddusche, 1998
Getrennt davon, im Obergeschoss, zeigt Pompe die Werke, die ab 2015, seit ihrer Hinwendung zum Christentum entstanden sind. Ihnen verdankt die Ausstellung den Titel „Die Hoffnungszeichen – Symbolographie als Wegweiser“. In ihnen bedient sich die Künstlerin christlicher Symbole, zu denen sie die Pralinenpapiere in großer Zahl verarbeitet. So entsteht eine Art dekoratives Muster aus einem unendlichen Rapport von kleinsten Kreuzen, Fischen, Dreiecken und Spiralen. Das ist handwerklich präzise gearbeitet und wirkt durchaus zauberhaft und kostbar. Pompe möchte damit die christlichen Symbole in den Alltag tragen und, wie sie sagt „wieder die Geschichte von Gott und Jesus erzählen“, weil sie tief beeindruckt sei von den Fortschritten und großartigen Leistungen in Technik, Wissenschaft und den Künsten, die das Christentum der Menschheit gebracht habe. Repräsentativ dafür sind in das Bild „Immerwährend“ die Namen Leonardo da Vinci, Goethe und van Gogh sowie Autos und Raketen eingewoben. (Von Hexenverbrennungen, Glaubenskriegen und Missionierung/Kolonialisierung schweigt Pompe hingegen.)
Immerwährend, 2022
Die Künstlerin versteht ihre „ Symbolographie“ als einen Weckruf für solche „Schläfer“, wie sie es selbst mal gewesen ist, „Schläfer“, die durch ihre Kunst zum Christentum erwachen könnten. Diese Haltung muss man nicht teilen, aber mal abgesehen davon: Kann das funktionieren? Nach Meinung der Rezensentin nicht, da die Symbole in diesen All over-Mustern zu Ornamenten sozusagen säkularisiert und reduziert werden, also ihre inhaltliche Bedeutung weitgehend einbüßen und ganz abstrakte Zeichen bleiben. Dazu die Künstlerin: „Ich schaffe Sinnbilder, keine Andachtsbilder, sozusagen eine Gebrauchsanweisung für das Christentum.“ Ach, wenn’s doch nur so schön einfach wäre…