24. Januar 2015
Ausstellung „plakativ – find ich gut!“ in Worpswede
Zuerst ist man fasziniert vom Gesamtbild. Dann treten aus der Masse allmählich Einzelheiten hervor: Dicke gelbe Zitrone neben Strichmännchen. Idyllische Landschaft mit Quadratraster neben dem einsamen Wort „Ach“. Künstler im Atelier neben Dalmatinerpunkten. Zerknittertes Stück Papier neben Monster aus Stoff. Malerei neben Foto neben Grafik neben Collage neben Comic neben Schrift: „ich hätt so gern ein würde und wär so gern ein bin“.
Eine ganze (Kunst-)Welt ist’s, die sich derzeit in den Räumen der Galerie „Altes Rathaus“ in Worpswede zusammenballt, ganz im Sinne eines Zeitgenossen des französischen Lithografen, Grafikers und Malers Jules Cheret, der gegen Ende des 19. Jahrhundert sagte: „Das schönste Naturschauspiel wird niemals den Anblick einer Plakatwand aufwiegen.“ In dichten Tableaus bedecken die Bilder zehn Wände komplett von oben bis unten; dazwischen leer belassene weiße Flächen, an denen sich das Auge immer wieder ausruhen und erholen kann. 78 Künstler beteiligen sich mit rund 160 Arbeiten an der Ausstellung „plakativ – find ich gut“, die dort bis zum 8. Februar 2015 zu sehen ist. Zusammengehalten wird die knallbunte Mixtur an Motiven durch Format und Technik: einheitliches DIN A1, Inkjetprint auf Papier – das schweißt die Extreme zusammen! Keine Originale also werden hier gezeigt, sondern Plakate. Oder doch Originale? Um Plakate im Sinne des zweckgebundenen Massenmediums, das in tausendfacher Auflage seine Information, seine Botschaft an den Mann und die Frau bringt, handelt es sich jedenfalls nicht. Die Auflage der Drucke ist klein, beläuft sich auf höchstens 5 Exemplare; bei manchen handelt es sich auch um Unikate. Von daher dreht sich hier alles um ein wunderbares Zwischending zwischen Plakat und Künstlergraphik – eine weitere Ausprägung des Crossover zwischen den traditionellen Gattungen, das heute mit vielen Spielarten die Kunst bereichert.